Azzad‘s Tod
Die oberste Gottheit im antiken Südarabien war Almaqah. Er schaute als Steinbocksymbol von allen Tempeln und Palästen der Sabäischen und Himjarischen Zeit. Mit kilometerlangen Treibjagden wurde jährlich der Steinbock gejagt und im Almaqah-Tempel in Sirwah, im heutigen Jemen, als heiliges Kultopfer bei Banquetten verspeist.
Über 40 Jahre arbeitete ich dort auf Ausgrabungen, wo mit Inschriften, Funden, meinen wissenschaftlichen Zeichnungen und Resten der kilometerlangen Treibjagdmauern dies dokumentiert wurde.
Als Stellvertreter dieser heiligen Tiere zeichnete ich Azzads Tod und dokumentiere und würdige damit dessen Opfertod.
Zuflucht
Mit meinem „Löwen. Menschen. Faune. et cetera-Zyklus“ vertausche ich gerne die biologisch festgelegten Rollen unseres Daseins. Damit möchte ich mich paradiesischen Vorstellungen nähern. In dem Bild Zuflucht hat sich ein Bär in die Arme eines Menschen geflüchtet. Dieser schützt ihn und wehrt mit seiner freien Hand eine Bedrohung ab. Noch hält er das Messer zwischen den Zähnen und hofft, dass er es nicht einsetzen muss …
Kathedrale
Ein Menschenpaar, vielleicht auch Adam und Eva, schreitet im Dämmer der Lichtstrahlen unter einem gewaltigen Wald aus Pilzen. Einer gleichend, in einem heiligen Raum, erfährt das Paar, wie winzig, wie unbedeutend ihr Menschsein im Verhältnis zur Schöpfung ist. Mit Demut schauen sie und staunen.
In meinem Pilzwald wachsen nur essbare Pilze.
Schlangengeflüster
Ptolemäus erforschte in der Antike die Sternbilder. Noch heute bevölkern 46 von ihm benannte unseren Sternenhimmel, von 88 auf der gesamten Hemisphäre versammelten. So gab Ptolemäus auch dem Schlangenträger seinen Namen. Dieser war ein Hirte. Dieser liebte Schlangen, und kannte sich aus mit Heilkräutern. Er war Heiler. Er hiess Äskulap.
Mit meinem Schlangengeflüster versuchte ich, diesen Menschen darzustellen. Er hört seiner Schlange aufmerksam zu. Sein Blick ist dabei auf seinen Bruder am Himmel gerichtet. Zu Äskulap‘s medizinischem Können gehören auch die Fledermäuse. Ihre Wirkstoffe nützen bei vielen Krankheiten.
Das kleine Zicklein könnte der Höhle entsprungen sein, wo seine Mutter Almathea den griechischen Gott Zeus gesäugt hatte.
Amazone
Wagemutige Kämpferinnen und Reiterkriegerinnen verorten antike Autoren in Regionen des Schwarzen Meeres. Auch in Lybien und Lykien sollen Amazonen gelebt haben. In der Ilias von Homer, bereits im 8. Jahrhundert vor Christus, werden sie im Zusammenhang mit dem Kampf um Troja erwähnt. Sie sind sterblich und lebten in mutterrechtlichen Gesellschaften.
Für mich als Frau haben diese Wesen aus der giechischen Mythologie eine große Faszination. Verkörpern Amazonen doch Kraft, Stärke und Macht. Deshalb durfte in meinem neuen Zyklus so eine Reiterin nicht fehlen.
Ziemlich beste Freunde
Diesen Titel gab ich der Zeichnung mit einem kleinen Augenzwinkern. Ich verband den ägyptischen Krokodilgott Sobek mit einem Krokodilvogel, dem Pluvianus aegyptius, und zwei kleinen Löwinnen. Gott Sobek wird immer aufrecht stehend dargestellt – bei mir sitzt er als weiblich gewordene Gestalt auf einem Thron. Dies ist nun eher eine südarabische Darstellungsweise: Herrscher oder Herrscherinnen sitzen, flankiert von Löwen. Diese symbolisieren deren Macht und geben gleichzeitig Schutz.
Bei mir sind es junge Löwinnen, die aber bereits um ihre Würde wissen.
Wobei die jungen Raubkatzen auch von der Göttin beschützt werden.
Eine nützliche Symbiose geht der Putzervogel mit meiner Krokodilgöttin ein: Er reinigt dem Mischwesen die Zähne und sättigt sich dabei mit den Fleischresten. Allen geht es dabei gut, und sie sind ziemlich beste Freunde.
Zwiegespräch
Ein Hirte blickt sinnend ins Nirgendwo. Er hat sich ein Wolfsfell um die Schultern gehängt, wie Herkules einst ein Löwenfell. Der tote Wolf des Hirten kann sprechen. Vielleicht bittet er in dem Zwiegespräch die Schafe für sein wölfisches Wesen um Vergebung, vielleicht, weil er ein Fleischfresser war, um leben zu können.
Fasziniert hören die Schafe ihrem Gegenüber zu. Sie sind so gebannt, dass sie davon gleich rosa Ohren bekommen haben. Und sie verzeihen ihm.
Elfenbeinkinder
Eine Elefantenmutter hält ihr Junges liebevoll mit ihrem Rüssel an sich gedrückt. Das Kleinkind schaut fröhlich in die Welt. Die beiden werden vom Elefantenvater im Hintergrund wachsam beschützt. Die Mutter trägt zudem ein Menschenbaby auf dem Kopf, das somit von dem Elternpaar ebenfalls behütet und beschützt wird. Es lässt sich unbekümmert herumtragen und geniest diese Gesellschaft.
Die Idylle beschneidet unten ein Zaum aus Elefantenzähnen. Sie erinnern und mahnen an die menschliche Gier und deren Verheerungen.
Die Wächter
In meinen paradiesischen Vorstellungen gibt es ein Miteinander von Mensch und Tier. Die Raubtiere fressen nun mal Fleisch, aber sie sind auch immer wieder satt. Und da kommen Annäherungen zustande und bei mir sogar Umkehrungen: Ein alter Löwe beschützt eine schlafende junge Frau. Sie vertraut ihm. Sie schläft ruhig und tief. Der Löwe schaut abgeklärt und wissend auf ein Gegenüber. Weiß um seine Macht, weiß, dass sie ihm hier niemand streitig macht.
Meine Gänsegeier sind ebenfalls Wächtertiere. Schon in sabäischen Zeiten erscheinen sie in dieser ihrer Funktion auf Darstellungen. Zudem halten sie die Welt frei von Unrat.
Eine Legende
In Legenden werden Geschichten erzählt. Als Legende bezeichnet man auch Menschen, die nur aus erzählenswerten Geschichten bestehen. Mein Baumstamm ist wie eine menschliche Legende. Er erzählt Geschichten in Geschichten in Geschichten.
Er existiert in meinem Umfeld wirklich. Er ist nachweislich mindestens mehr als dreihundert Jahre alt. Denn es gibt aus dieser Zeit ein Gemälde, wo er als junger Baum mit demselben Umfeld dargestellt ist. Diese nun alte, ehrwürdige Rubinia mit starkem Lebenswillen ist sogar bei Wikipedia zu finden.
Walpurgisnacht
Und wieder drehe ich die Seh– und Wissensgewohnheiten um. Mit der Walpurgisnacht verbinden wir in unserer Kultur Hexen, die in der Nacht zum 1. Mai auf Besen um den Blocksberg im Harz herumsaußen. Wahrscheinlich mit Partikeln von Tollkirschen aufgeheizt.
Aber nicht nur hier wird das Ende der kalten Jahreszeit mit dem Beginn der Aussaat, dem Wachsen und Werden gefeiert und dem Entstehen neuer Menschleins. Vor allem von Mesopotamien bis hin nach Persien berichten geschichtliche Dokumente und bildliche Darstellungen von Festen, sinnlich und wüst, wo das Aufblühen von Pflanzen, Tieren und Menschen gefeiert wird. Wo rituell gezeugt und gesät wird, dem Tierreich gleich.
Und dazu gehören natürlich auch Männer. Sie „entführten“ ihre Auserwählten zur Heiligen Hochzeit. Meine drei Männer tanzen sich in Stimmung. Die Besen der Hexen sind augenzwinkernd zu einem Kehrwisch verkümmert, und die zwei Mäuslein können sogar unter das goldene Feigenblatt blinzeln.
Verlorenes Paradies
Ein Faun sitzt wütend und traurig zugleich in einem Baum, wo keine Blätter mehr sprießen. Sein Hain ist verdorrt, sein Zuhause unbewohnbar. Alles ist ausgelaugt, tot. Die glücklichen Zeiten sind dahin. Wer ging mit den üppigen, geschenkten Gaben der Natur nicht achtsam um? Wer zerstörte das natürliche Gleichgewicht?
Waldspaziergang
Im Dämmerlicht wandert ein Hirsch durch den Wald. Er trägt seinen Sohn auf dem Rücken und lehrt ihm dabei nebenzu sein Wissen. Eine Schleiereule landet auch gleich auf dem Jungen, will mit dabei sein. Hellere Lichtstrahlen durchfluten den tiefen Raum.
Seifenblasen schweben als Gebilde umher und mahnen daran, wie schnell sie platzen können, wie schnell so eine Idylle zerstört werden kann, wie sehr man sie achten und schützen muss.
Mich inspirierten weniger die Bremen Stadtmusikanten, die mit ihren Stimmen ihre Angreifer verscheuchten, erfolgreich. Dagegen entdeckte ich in einer Ausstellung mit Phönizischen Tierdarstellungen eine bronzene, handtellergroße Figurine, wo ein Hirsch sein Junges auf dem Rücken trägt. Diese sehr menschlich anrührene Darstellung führte mich zu meinem Waldspaziergang.
Arkadien
Dieses Sehnsuchtswort erwuchs dem Namen einer griechischen Landschaft im Peleponnes. Zwar ist Arkadien dort eine Karstlandschaft mit Seen und Tümpeln. Für Hirten und Weidetiere waren es aber ideale Bedingungen. In Ruhe und Beschaulichkeit verlief ihr Leben. Daraus entwickelten sich romantische Vorstellungen vom süßen Nichtstun, von Schäferstündchen, von paradiesischen Verhältnissen und vom Treiben der Götter, Halgötter, Mischwesen und Menschen in den Freuden der Natur.
Meine Zeichnung zeigt eine Familienidylle mit Tieren. Aber die Sonne vergießt schon ein paar Tränen und ein Stundenglas kündet vom Verrinnen der Zeit. In Wirklichkeit ist diese schon abgelaufen, nur in unserer Phantasie wollen wir Arkadien wieder heraufbeschwören.
Mitternachtstörtchen
Eine Wolfsfamilie schmust zusammen und genießt damit Wärme und Gemeinsamkeit. Ein Vollmond verströmt verschleiertes Licht. Zu Füßen der Familie spriessen Fliegenpilze aus dem Boden.
Hält die Tierfamilie nun dahinter Wache, dass kein Mensch die Giftpilze isst? Oder will sie diese selber verspeisen? Wissen sie von deren Gift? Wollen sie sich damit sogar in Werwölfe verwandeln? Oder ist die Pilzansammlung nur ein harmloser Zufall? Ich überlasse die Lösung dem freundlichem Betrachter.
Gaias Schwester
Vielleicht hat unsere Urmutter Gaia eine Schwester. Dann ist sie, die Schwester, naturverbunden, liebt Pflanzen, Tiere und Menschen.
Blätter ranken sich an ihrem Körper empor. Sie hält einen Igel in einer Hand. Weitere Igel hüpfen und springen und fallen und turnen übermütig an ihr herum.
Warum hält sie aber ihre Hand vor die Augen? Sie ist eine Seherin und weiß, dass es ihre Schützlinge alsbald nicht mehr geben wird.
Lucy in the Sky
Ich wollte ein Menschenbaby zeichnen. Ein Baby, das es als erwachsenen Menschen einmal gegeben hat. Also ein Blick in die Zukunft und gleichzeitig in die Vergangenheit.
Was passt zu einem Baby? Nun, es muss beschützt werden. Horus, der ägyptische Beschützergott hütet also das Kind. Ein Apfel verheißt vielleicht den paradiesischen Fall. Aber die Schildkröte schaut liebevoll zum Kindlein auf, trägt es auf ihrem Rücken, vielleicht Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende.
Denn – als erwachsene Frau wird Lucy im Norden Äthiopiens als Skelett ausgegraben. Sie starb vor vielen, vielen Jahren. Dieses weibliche Artefakt konnte nachweislich aufrecht gehen. Der erste, weltweite Beweis des zum Menschwerden. Während des Ausgrabens hörten die Forscher im Transistorradio den Beatler-Song Lucy in the Sky with Diamonds. Sie sangen mit, und plötzlich war der Name des fossilen, auf 3,2 Millionen Jahre datierten Skeletts geboren: Lucy.
Die Geschichte geht aber noch weiter: Lucy hat ihre endgültige Ruhestätte im äthiopischen Nationalmuseum in Addis Abeba gefunden. Ich arbeitete dort die letzten Jahre viele Wochen ein Stockwerk höher über Lucy’s endgültiger Ruhestätte und zeichnete archäologische Funde. Mein Lucy-Baby hat also eine bereits lange vor ihrer Geburt nicht mehr lebende Mama.
Gaia und der Wolf
Ich wollte auf großem Papier einen Auenwald zeichnen. Und darin soll Gaia wohnen. Sie, als Urmutter der griechischen und römischen Mythologie, ist die personifizierte Erde. Martialische Mythen umranken eine der ersten Gottheiten. Sie liebt die Schöpfung, schützt und hütet alles Kreatürliche. Sie ist machtvoll. Sie kann zur Furie werden, wenn Menschen gegen die Schöpfung freveln.
Ein Wolf umschwänzelte sie und verschwand dann lieber im Unterholz.